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Untere Allmend Sarnen

2022 bis 2023

Auftraggeber:
Korporation Sarnen
Beschaffung:
Wettbewerb auf Einladung
Auszeichnung:
4. Rang
Zusammenarbeit:
Lauber Ingenieure, Luzern & Fahrni Landschaftsarchitekten, Luzern
Material:
Holzbauweise
Karte

Ort & Absicht | Das Gebiet um den vorliegenden Projektierungsperimeter der «Unteren Allmend» ist geprägt durch grossmassstäbliche Bauten. Die meisten dieser Bauten siedelten sich ab den 1960er Jahren nach der Festlegung der Industriezone auf der damals «grünen Wiese» der Unteren Allmend an. Es sind dies Unternehmen der Kunststoff- und Elektrotechnik aber auch der Gewürz- und Nahrungsmittelproduktion.

Der Ursprung dieser Entwicklung ist aber bereits früher auszumachen: 1930 entsteht mit der «Hüetlifabrik» ein für Sarnen neuer, grossmassstäblicher Bautypus industrieller Art. Bis anhin hatte sich die Produktion auf die bäuerliche Heimarbeit konzentriert. Mit der Strohhutfabrik und weiter folgenden Fabriken verlagerte sich die Arbeit zunehmend auf industrielle Produktionsstätten.

Weiter war in der Unteren Allmend bis 1970 die Sägerei «Keller» zugegen, welche nach über 100-jährigem Bestehen aufgrund geplanter Wohnbauten weichen musste. Dieser Ortsteil von Sarnen grenzt sich somit klar von der Nutzung und der Siedlungsstruktur der umliegenden Quartiere ab. Das zeigt sich auch in der Erschliessungsstruktur, welche durch orthogonale, den langen Fabrikgebäuden folgenden Strassenachsen geprägt ist. Dies beispielsweise im Gegensatz zum feinmassstäblicheren, verwinkelten Dorfkern.

Die Diversität zwischen den Ortsteilen wird als Qualität verstanden und soll gestärkt werden. Zu dieser Erkenntnis kommt auch die Studie Sarnen 2025+. Der Projektvorschlag soll folglich den vorgefundenen Gesetzgebungen des Ortes folgen.

Spätestens seit dem Bahnanschluss «Sarnen Nord» im Jahre 2016 ist das Gebiet um den bis anhin vorwiegend industriell geprägten Ortsteil auch für die Wohnnutzung attraktiv. Es kann hier – wie auch in der Studie Sarnen 2025+ skizziert – ein für Sarnen sehr urbaner, eigenständiger und für das Saarneraatal bereichender Ortsteil entstehen.

Die Vision des Wohn- und Werkquartiers aus der Studie Sarnen 2025+ wird als Leitidee und Inspiration für die städtebauliche Setzung auf der noch freien Parzelle aufgegriffen.

Setzung | Vorgeschlagen wird ein grossmassstäbliches Gebäudevolumen im Sinne der im Kapitel Ort & Absicht beschriebenen ortsbaulichen Analyse. Das Volumen folgt der Logik der grossen Einzelbauten, die den umliegenden Kontext prägen. Dadurch wird eine übergeordnete und parzellenübergreifende Einheit geschaffen, welche die Identität des Ortes unterstreicht.

Entlang der Pilatusstrasse entsteht so eine vertraute, strassenbegleitende Bebauung mit Gewerbefront im Sockel. Dies erlaubt einen ideal nutzbaren Vorbereich für die Gewerbebetriebe. Eine Entflechtung punkto Erschliessung und Sicherheit der Bewohner und des Gewerbes ist gegeben, denn die Hauszugänge der Bewohner sind auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite (Obstgarten) angeordnet.

Westseitig entsteht mit dem Obstgarten ein grosser Freiraum, der dem Haus und den Wohnungen einen gebührenden Abstand zur Brünigstrasse bietet (Distanz zum Lärm).

Alle Wohnungen profitieren durch die Setzung und die Organisation als «Durchwohnen» gleichermassen vom Freiraum (Obstgarten) auf der einen und von der aussichtsreichen Ostseite (Stanserhorn-Brünig) auf der anderen Seite. Die Belichtung ist durch die grossen Gebäudeabstände zu den Nachbarn, beziehungsweise dem grossen freigespielten Freiraum ideal.

Der Obstgarten wird im Bereich der Brünigstrasse durch eine Reihe von Nussbäumen gesäumt. Diese fassen und gliedern auch den Strassenraum und bilden im Bereich der Brücke über die Sarner Aa einen attraktiven Dorfein- respektive Ausgang.

Nicht zuletzt wird im grossen Freiraum ein Potential für zukünftige Nachverdichtungen gesehen (Reserve für nachfolgende Generationen).

Mit der vorliegenden Setzung und Volumetrie werden auch die zeitgemässen Absichten eines haushälterischen Umgangs mit Grund und Boden sowie einer kompakten, energieeffizienten Gebäudehülle erfüllt. Dies lässt sich an diesem Ort mit den im Kontext vorgefundenen, grossmassstäblichen Gebäudevolumen gut vereinen.

Dank dem kompakten Untergeschoss bleibt ein Grossteil der Parzelle sickerfähig und belebt. Der Obstgarten kann sich prächtig entfalten – zu einem Lebensraum für Mensch; Tier und Pflanzen.

Wohnen & Gewerbe | Die Erdgeschosswohnungen richten sich zum Obstgarten hin aus und profitieren von einem privaten Sitzplatz entlang der Fassade. Ein leichtes Hochparterre und eine üppige Bepflanzung sorgen für die gewünschte Privatsphäre. Der Wohn- und Essbereich mit direktem Zugang zum Garten kann mittels grossformatigen Faltwänden mit dem angrenzenden Zimmer zu einem fliessenden Raum verbunden werden.

Die Wohnungen in den Obergeschossen funktionieren im Sinne eines «Durchwohnens». Durch die West-Ost-Orientierung profitieren sie von der Morgen-, als auch von der Abendsonne.

Der jeweils durchgesteckte Wohn- und Essraum mit mittiger Küche grenzt beidseitig an eine grosszügige Laube. Durch die flexibel verschiebbaren Schrankelemente lassen sich unterschiedliche Raumsituationen innerhalb des Wohnraumes ermöglichen. So kann beispielsweise ein Eingangsbereich abgetrennt werden, oder es entsteht eine intimere Wohnnische. Damit ist es den Bewohner*innen auch selbst überlassen, wo sie Essen oder Wohnen möchten. Die nutzungsneutralen Zimmer sind über einen Vorraum mit Reduits und Nasszellen erreichbar und profitieren ebenfalls vom Zugang zu den beiden Aussenräumen.

Die grosszügigen Lauben der Wohnungen sind den historischen Vorbildern adaptiert. Es entsteht eine erweiterte Raumschicht, die den Bewohner*innen ein Maximum an Privatsphäre und Geborgenheit schenkt.

Je nach Tages- und Jahreszeitenverlauf kann bewusst auf die wärmende Sonnen- oder die kühlende Schattenseite gewechselt werden.

Die Gewerbehalle kann gemeinschaftlich bespielt werden – wie eine Art Markthalle. Oder aber in ein bis sechs Einheiten unterteilt werden. So hat jede Einheit einen Zugang zum Treppenhaus und damit zur Tiefgarage oder dem grosszügigen grünen Erholungsraum (Obstgarten).

Die Gewerbeschaffenden erhalten eine ansprechende Adresse mit viel Raum für Umschlag und Anlieferung.

Material & Struktur | Das fünfgeschossige Gebäude basiert auf einer einfachen Grundstruktur aufbauend auf einem Untergeschoss aus Stahlbeton. Sämtliche Bauteile über der Decke vom Untergeschoss bzw. über der Decke vom Gewerbeteil sind in Holzbauweise als Elementbau geplant. Das vertikale Primärtragwerk wird gebildet aus den Wohnungstrennwänden und den Wänden der Erschliessungskerne mit Treppen- und Liftanlagen. Einzelne tragende Stützen, verbunden mit einem Unterzug, verkleinern die Spannweiten zwischen den Wohnungstrennwänden und dem Treppenhaus. Diese sind auf Abbrand bemessen und weisen einen Brandwiderstand von 60 Minuten auf. Die Wohnungstrenn- und die Treppenhauswände aus Brettsperrholz hingegen sind aus brand- und schallschutztechnischen Gründen mit Brandschutzplatten verkleidet bzw. gekapselt. Vorgefertigte Treppenläufe und Podeste aus Stahlbeton, welche entkoppelt in den mit Brandschutzplatten verkleideten Aussparungen liegen, bilden die nichtbrennbaren Gehwege in den vertikalen Fluchtwegen. Eine strikte, vertikale Lastabtragung führt die Einwirkungen ohne Umwege direkt in die Abfangdecken aus Stahlbeton über dem Untergeschoss. Die Wohnungstrenndecken sind als vorgefertigte Brettstapelelemente vorgesehen. Sie weisen die Tragrichtung parallel zur Gebäudelängsachse auf und liegen als Zwei- oder Dreifeldträger auf den Wänden oder Unterzügen. Dies ermöglicht eine einfache bauphysikalische Trennung der Decken zwischen den Wohnungen und den Lauben. Zudem müssen im Bereich der Fensterfronten keine hohen Lasten abgetragen werden. Tatzenartige Geschossübergänge im Bereich der Brettsperrholzwände verhindern die Querdruckbeanspruchung des liegenden Holzes der Brettstapel.

Aus brandschutz- und schalltechnischen Gründen werden die Wände und die Decken im Bereich des Gewerbes in Stahlbeton ausgeführt. Im Werk industriell vorgefertigte Betonplatten mit statisch mitwirkender Ortbetonschicht bilden die Deckenelemente, welche auf einem vorgefertigten Betonunterzug aufliegen. Das Element enthält die für die Montage erforderliche biegesteife Bewehrung durch Gitterträger, sowie die notwendige Biegezugbewehrung in Längs- und Querrichtung. Das Plattenelement dient während der Bauphase als Schalung. Nach Aufbringen und Erhärten des Ortbetons ist das Element als monolithischer Gesamtquerschnitt mittragend.

Neben den Giebelwänden übernehmen die Wohnungs- und Treppenhauswände aus Brettsperrholz die Queraussteifung bezüglich den lateralen Einwirkungen aus Wind und Erdbeben. Parallel zur Gebäudelängsachse sorgen die Aussenwände an den Gebäudeecken sowie zusätzliche vertikale Wandscheiben hinter den Aufzügen und zwischen den Nasszellen für die sichere Abtragung der horizontalen Einwirkungen in die Fundamente. Eine vollflächige Beplankung auf der Oberseite der Brettstapelelemente leitet die horizontalen Kräfte sicher in die vertikalen Wandscheiben.

Die Fassade besteht aus einer vertikalen Stulpschalung, welche geschossweise eine etwas ausladendere Schürze aufweist. Dies als konstruktiver Holzschutz. Im Bereich des Daches kippt die Schalung nach aussen, sodass für das Gebäude eine Art Vordach entsteht.

Das Schrägdach eignet sich ideal für eine vollflächige Photovoltaikanlage.

Die im Kanton Obwalden vorherrschende Holzbautradition, bringt einige historische Beispiele hervor, die in Bezug auf die Konstruktion und den Ausdruck beigezogen werden können. Aus ihnen können wir nach wie vor lernen, um letztlich eine zeitgemässe Lösung in Bezug auf die Struktur und das Material zu finden, die dem Ort gerecht wird.

Die Materialien werden grossmehrheitlich roh und unverarbeitet eingesetzt. Damit wird die Umwelt geschont und das Haus darf (wie man dies im ländlichen Gebiet kennt) würdig altern. Dies hat nicht zuletzt auch den Vorteil, dass die Fassade nahezu keinen Unterhalt benötigt. Dies dank dem konstruktiven Holzschutz (überlappende Bauteile) und dem materialgerechten Einsatz des Holzes.

Freiraum | Die Untere Allmend befindet sich am südlichen Dorfeingang an der Sarner Aa und am Übergang zur offenen Landschaft. Bauten und Freiräume orientieren sich am angrenzenden Industriegebiet, der Landschaft mit den traditionellen Obstgärten, der Holzverarbeitung und dem Kulturgut Allmend. Bewusst sucht die Gestaltung keine Ähnlichkeit zum Dorfkern von Sarnen mit den Gärten der Bürgerhäuser oder den Wohnblöcken der Umgebung.

Gesucht wird eine ortsbauliche und architektonische Qualität im Kontext des Dorfes und der Landschaft. Die vorgefundenen Qualitäten des Territoriums sollen ungezwungen interpretiert werden. Allmend bedeutet, dass die Freiräume gemeinschaftlich genutzt werden können. Der grosszügige, freigespielte Raum ist mit verschiedenen Obstbäumen bepflanzt und Pflanzgärten können je nach Bedarf individuell angelegt werden. Aneignungsbereiche für eine breite Palette an Nutzungen schaffen eine hohe Identität für die Bewohner. Der Entwurf ist sowohl ortsgebunden und nachbarschaftlich. Es entsteht ein Dialog zwischen Freiraum und angrenzenden Wegen und Parzellen. Die Freiräume sind klar angeordnet, deren Abfolge und Hierarchie sind sinnvoll und räumlich gut bemessen, und sie tragen zu einer sozialen Belebung des Quartiers bei.

Der Betrieb und Unterhalt wird von den Bewohner*innen erbracht. Der Ökologie und Nachhaltigkeit wird grosse Beachtung geschenkt. Einheimische Bäume und Blumenwiesen prägen das Bild. Die zusammenhängenden Spiel- und Freizeitanlagen sind naturnah gestaltet. Es werden Materialien wie Kies, Sand, Natursteine und Holz verwendet. Ein witterungsunabhängig nutzbarer Pavillon ergänzt das Angebot und soll als Treffpunkt für die Bewohner*innen, Besucher*innen und Gäste dienen. Zweckmässige arealinterne Fuss- und Radwegverbindungen sind zusammen mit der Aussenraumgestaltung an das Quartier und die Sarner Aa angeschlossen.

Das Oberflächenwasser auf Seite Gewerbe wird in einer grossen Rinne gesammelt und im Norden in einer flachen bepflanzten Versickerungsmulde versickert. Das unverschmutzte Dachwasser wird beidseitig des Gebäudes in einer unterirdischen Rigole versickert und gedrosselt der Sarner Aa zugeleitet. Die Veloabstellplätze sind bei den Hauseingängen in unmittelbarer Nähe gut zugänglich und unter Terrain im Untergeschoss, fahrend erreichbar, nahe der Gebäudeaufgänge platziert.

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